Über 550 Jahre Bergbau um Rochlitz

Wer kennt sie nicht: Annaberg, Marienberg, Schneeberg – berühmte Städte im oberen Erzgebirge, bekannt durch ihre legendären Silberfunde. Wer hätte da gedacht, dass bei Seelitz und Rochlitz schon einige Jahre früher Bergbaugeschichte geschrieben wurde? Ja, Rochlitz war einmal als alte Bergstadt berühmt! Wir lesen das der „Meißnischen Bergchronik“ des Petrus Albinus aus 1589. Johannes Mathesius schreibt in der Vorrede zu seiner berühmten „Sarepta“ 1562: „…Rochlitz … welches … im alten Sprüchwort auch vor alters vor als alte Bergstadt gerühmet ist…“  Während im heutigen Freiberg mit dem legendären Silberfund von 1168 der Startschuss für die einmalige Bergbaugeschichte Sachsens fiel, ist die Rochlitzer Montanregion zwar 300 Jahre jünger – aber auch wir feiern demzufolge nun Geburtstag!

Portrait des Johannes Mathesius

Es war im Jahre 1468, als per Urkunde (eine Abschrift haben wir im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden gefunden) unter anderem ein Bergwerk bei Zöllnitz verliehen wurde: Es handelt sich um die später auch größte und bedeutendste Grube am „Vogelsang“, die den schönen Namen „St. Johannes“ trägt! 3 Bergwerke werden in der Urkunde aufgeführt, ein weiteres weiter oben am Erlbach und eines auf Rochlitzer Flur.

550 Jahre sind eine lange Zeit, was hat sich nicht alles verändert! Hat man damals mit Schlägel und Eisen das Gestein im kargen Licht der Froschlampe gebrochen, fahren in heutige Bergwerke komplette LKW ein und selbst wir befahren den „St. Johannes“ mit beinahe taghellen LED-Scheinwerfern! Der Bergbau hat Sachsen geprägt und auch zu einigem Wohlstand verholfen. „Otto, der Reiche“ hat dies früh erkannt und dafür gesorgt, dass Jedermann Bergbau betreiben konnte und die Ausbeutezechen ihren „Zehnt“ an den Landesherren abführten. Im gesamten Erzgebirge sind aber genau die Bergwerke, die letztlich Gewinn abwarfen, in der Minderzahl und so war es ein oft vergebliches Unterfangen, als Unternehmer damit reich zu werden. Langfristig hat es sich auch hier bei uns nicht gelohnt und die Bergleute zogen weiter. 1790 wurde das letzte Silber in Seelitz gefördert, spätere Aktivitäten kamen über das „Planungsstadium“ nicht hinaus. Die größten aktiven Schürfe und Abbaue fallen in das 16. Jahrhundert, woraus sich auch der damalige Ruf der Stadt Rochlitz als „Bergstadt“ erklären lässt. Der Höhepunkt nach Aktenlage ist wohl um 1700 erreicht, als wir in einem Bergbelehnungsbuch zwischen 1671 und 1710 allein 16 Einträge aus unserer Region finden! Ende des 17. Jahrhunderts hat man flächendeckend zumindest versucht, die damals noch sichtbaren alten Stolln und Schächte neu zu belegen. Der beste erhaltene Stollnriß, wie man einen bergmännischen Lageplan bezeichnet, stammt aus dieser Zeit. Leider ist prinzipiell die Situation in den Archiven hierfür alles andere als günstig: Zuordnungsprobleme zu den einzelnen Bergamtsrevieren haben eine systematische Dokumentation verhindert und Stadtbrände, wie zum Beispiel in Marienberg, taten ihr Übriges. Hinterlassen haben uns die „Alten“, wie man Bergleute der Vorzeit kameradschaftlich bezeichnet, dennoch eine Vielzahl an (verstreuten) Akten und zaghaften Spuren im Gelände. In heutiger Zeit ist der alte Bergbau beinahe vergessen gewesen und nur wenige Heimatforscher oder Kenner der Materie hatten unsere Region aus diesem Blickwinkel auf ihrem Zettel.

Zeichnung einer Schmelzhütte

Geschürft wurde in der Hauptsache nach Silber; es war weltweites Zahlungsmittel und wichtigstes Erz in Sachsen. Die Bergakten und Chroniken erzählen uns von Silberbergwerken in Rochlitz, Seelitz, Methau, Biesern, Sachsendorf und Gröblitz. Aber auch alte Flurnamen weisen auf frühere Abbautätigkeit hin, wie beispielsweise der Erzberg bei Stollsdorf (hier handelt es sich vermutlich um Eisenerzabbau) und der Goldberg bei Kralapp. Das Silbertal bei Wechselburg ist wohl den meisten Einheimischen ein Begriff, ebenso wie die kaum noch sichtbaren Stolln im Auenbachtal zwischen Geringswalde und der Rinnmühle.

Auch im Dölitzschtal finden wir Mundlöcher, jedoch greifbare Fakten zu diesen heute noch sichtbaren Spuren sind rar. Ein Goldseifenwerk wurde durch Bergmeister Markus Röhling an der Rochlitzer Mulde betrieben, auch kleinere Bäche zeugen mit ihren noch erhaltenen Raithalden vom früheren Goldwaschen. Zu den Silberbergwerken, es könnten bis zu 20 gewesen sein, liegen die umfangreichsten alten Akten vor.

Quarz Ablagerung

Eine wichtige regionale Quelle für Informationen zur Montangeschichte ist Prof. Dr. W. Clemens Pfau. Er hat sich in etlichen Ausgaben des „Rochlitzer Tageblatts“ um 1920 zu Mineralien und Bergbau der Region geäußert. Nehmen wir seine Aufzeichnungen zur Hand und gehen den Hinweisen nach, finden wir in kleinen Tälchen rund um Seelitz und Beedeln die Begleitmineralien der Erze: Quarz und Schwerspat. Verschiedene Edelsteine wurden in Bächen gefunden, und uralte slawische Siedlungen zeigen deren frühere Verwendung als Schmuck und Werkzeug. Die Steinmetze vom Rochlitzer Berg mit seinem berühmten Porphyr(tuff) als weithin bekannten Baustein selbst sollen sich auch dem Bergbau gewidmet haben, und in den alten Halden der Zeche „St. Johannes“ fand Prof. Pfau  Bruchstücke von bergmännischem Geleucht aus Ton.

Hier, am Seelitzer „Vogelsang“, spielte auch die lauteste Musik im Konzert der hiesigen Knappen. Wenn wir in alten Schriften vom Rochlitzer Bergbau lesen, dann wird immer wieder „St. Johannes“ aufgeführt. Ein Grund dafür ist, dass Johannes Mathesius, der berühmte Sohn der Stadt, hier sein Handwerk als Bergmann lernen sollte. So hat er als Jugendlicher um 1518 die Bücher zu jenem Bergwerk geschrieben und die wöchentliche Zubuße eingetrieben.  Sein Vater Wolfgang weissagte, dass er mal ein tüchtiger Bergmann werden sollte! Er wurde es auch, aber auf andere Weise: Er zog nach dem Studium an verschiedenen Universitäten nach St. Joachimsthal ins böhmische Erzgebirge, wohin schon der Erzählung nach die Bergleute vom Vogelsang abgewandert waren. Er wurde dort ihr Prediger und ein väterlicher Freund für hunderte Knappen; und er ist quasi der Urvater der heutigen Mineraliensammler mit seinen Studien, welche auch die Forschungen seines Freundes Georgius Agricola unterstützten. Vor 550 Jahren wurde das Bergwerk bei Zöllnitz erstmalig erwähnt, und der Vater von Johannes Mathesius war Anfang des 16. Jahrhunderts starker Gewerke – also Miteigentümer der Grube. Man liest, dass er wohl sein ganzes Vermögen dabei verloren haben soll. Um Einiges päter, 1556, wollte man eine Wasserkunst in den „St. Johannes“ einbauen, vermutlich wurde aber schon bald das Geld alle und man gab die Grube auf. Wir gehen heute davon aus, dass das Bergwerk anschließend nicht mehr betrieben wurde und der Stolln lange Zeit offen stand. Dies würde auch begründen, warum das Bergwerk heute so massiv verbrochen ist. Die Grube besaß wohl ein Pochwerk und eine Erzwäsche am Erlbach, die zugehörige Schmelzhütte soll auf der Rochlitzer Muldeninsel gestanden haben. Im 19. Jahrhundert, so lesen wir in einer Handschrift, waren die Grundmauern der Wäsche sowie der Schacht noch zu sehen und man fand den erzführenden Schwerspatgang im Stolln noch mit ¼ Lachter (ca. ½ Meter) anstehend. Um 1900 hat dann der Eigentümer des Grundstücks die letzten Spuren durch Einebnung der Halden und Verfüllung des Mundlochs verwischt, so lesen wir bei Prof. Pfau. Vermutlich stand dies im Zusammenhang mit der Eröffnung der Bieserner Sandgrube um 1904.

Bergsicherung Schneeberg bei Bohrungen am Heilig Kreuz Stolln 2008

Die Erwähnung der „St. Johannes Fundgrube“ mit aussagekräftigen Bergakten Ende des 18. Jahrhunderts kann uns leider nicht weiter helfen. Der Name wurde damals auf ein anderes Bergwerk übertragen und die enthaltenen Daten sagen nichts über das Schicksal der berühmten Zeche am Vogelsang aus. Vielmehr handelt es sich hier um den vormaligen „Heilig Kreuz Stolln“, zu dem uns der einzig erhaltene aussagekräftige Riss von 1669 vorliegt und dessen Spuren auch heute noch besichtigt werden können. Auch dieses Bergwerk wurde schon 1468 erwähnt, im Gegensatz zum alten „St. Johannes“ aber bis 1790 immer wieder betrieben. Es erreichte nach den Akten eine Länge von 172 Lachtern, also rund 340 Meter.

Mit diesem Bergwerk bei Pürsten begann 2007 auch die Geschichte unseres Vereins. Nachdem immer wieder ein Experte aus Frankenau über Bergbau in der Rochlitzer Gegend berichtet hatte und auch andere Hobbyhistoriker sich mit dem Thema beschäftigten, war nun ein Mitglied des Rochlitzer Geschichtsvereins zusammen mit einem Nachfahren des früheren Mühlenbesitzers in Pürsten unterwegs, und gemeinsam brachten sie den Seelitzer Bürgermeister auf ihre Seite.

Nach einem öffentlichen Aufruf fanden sich 8 Interessierte zusammen, die schon nach kurzer Zeit als neu formierte Arbeitsgruppe die Umrisse dieser vergessen Geschichte skizzieren konnten. Bereits 2008 erfolgte im Auftrag des Sächsischen Oberbergamts eine Untersuchung des eingestürzten „Heilig Kreuz Stollns“ unter einem Wirtschaftsweg bei Pürsten, und die Freizeitknappen konnten „echten“ Bergleuten am Bohrgerät zuschauen. 2009 gründete man dann den Verein, als es mit der angestrebten Suche nach dem Mundloch des Stollns am Vogelsang „ernst“ wurde. Heute kennt man in der näheren Umgebung 26 Orte mit Bergbaugeschichte, und abgebaut haben die Knappen so ziemlich alles, was im Bergbau von Interesse war: Neben den genannten Erzen sind das auch Stein- und Braunkohle. Nicht zu vergessen ist das Wiederauer Edelsteinbergwerk „St.Bartolomäi Fundgrube“, welches von 1717 bis 1721 hervorragende Achate an den Dresdner Hof lieferte und über Sachsens Grenzen hinaus bekannt wurde!

Es gibt kaum Material von außerhalb dieses Abbaus im 18. Jahrhundert und der Achat war damals an Schönheit kaum zu übertreffen. Noch heute schwärmen Achatsammler von diesem seltenen Edelgestein. Man hatte die Grube, auch hier gab es große Probleme mit der Wasserhaltung, aus Kostengründen aufgeben müssen und sah bereits 50 Jahre später alle Spuren verwischt.

Wiederauer Achate aus der Sammlung Junghanns, gefunden 1992

Flügelmauern am Mundloch des alten St. Johannes Stolln

Der Seelitzer Bergbauverein hat im August 2009 dann tatsächlich das Mundloch des alten „St. Johannes“ finden können. Nach aufwändigen Vorbereitungen und Planungen flossen 2011 dann Fördermittel und man hat in 6 Monaten Bauzeit den Eingangsbereich wieder hergerichtet. An historischer Substanz konnte man sich dabei leider nicht orientieren, da auch durch Verkippung von Abraum in den 40er Jahren während des Sandgrubenbetriebes fast alle Spuren verwischt waren. Das verbrochene Mundloch wurde dabei durch ein neues Gewölbe ersetzt und etwas verlängert, eine neue Halde geformt und darauf eine Kaue nach Freiberger Vorbild errichtet.

Flügelmauern aus regionalen Gesteinen sichern den Hang gegen Verrutschen ab.

Seitdem wird das Objekt rege für Veranstaltungen genutzt und erfreut sich großer Beliebtheit. Es ist zu einem Ort geworden, wo man in die Geschichte abtauchen und die schwere Arbeit vergangener Zeiten ein wenig nachempfinden kann.

Mettenschicht

Das ist eine gute Gelegenheit, von unseren alltäglichen Problemen abzulenken und den Blick für wesentliche Dinge zu schärfen: Ging es doch für die Bergleute damals ums Überleben bei einer sehr gefährlichen Arbeit und einem entbehrungsreichen Leben! Der Berg hat seiner Zeit so manches Opfer gefordert, und reich wurde man als Bergmann eher nicht! Dennoch haben sie ihren Beruf geliebt und uns zahlreiche Traditionen beschert: Speziell in der Weihnachtszeit spiegelt sich die Liebe des Bergmanns zum Licht in vielen Figuren und Bräuchen, Pyramiden und Schwibbögen wider. Höhepunkt der Festlichkeiten für die Knappen war die letzte Schicht vor Weihnachten, und auch am „St. Johannes“ wurde mit dem Freilegen des Mundlochs 2009 die Tradition der so genannten Mettenschicht wieder belebt. Seitdem kann man jeweils am 4. Adventssamstag am Seelitzer Vogelsang gemeinsam mit dem Verein den Höhepunkt des Jahres feiern. Dabei sorgen Bläser aus Pobershau für eine zünftige Atmosphäre. Die Veranstaltung ist jedes Jahr früh ausgebucht, eine Teilnahme ist nur für angemeldete Gäste möglich.

Freilegungsarbeiten im alten St. Johannes Stolln

Während nach der Sanierung der eigentliche Stolln komplett verbrochen blieb, bemüht sich der Verein seit 2013 Schubkarre um Schubkarre um eine Freilegung des alten Grubenbaus. Die Arbeiten werden durch das Sächsische Oberbergamt und das Landesamt für Archäologie beaufsichtigt, zwischenzeitlich war auch der Einbau von Stützmauern erforderlich.

Heute sind knapp 50 Meter im Stolln befahrbar und man ist an einer Stelle angelangt, wo der Stolln zwar saniert werden muss – sich aber auch erheblich erweitert. Noch gibt es viel Arbeit, aber für die Zukunft können sich die Gäste des Vereins auf ein noch attraktiveres Objekt zur Besichtigung freuen.

Der alte St. Johannes Stolln ist heute weitgehend verbrochen und muss aufgewältigt werden. Derzeit laufen Sanierungsmaßnahmen durch einen Bergsicherungsfachbetrieb. Dabei kommen vergessene, aktuelle und völlig neue, innovative Technologien zum Einsatz und es entsteht eine Art „Musterbergwerk“ auch für Bergbau-Fachleute.